Ist das Bio oder gehört das auf den Kompost?

Wenn zu viel Bio zum Wahn wird...

Werbung
Bio: Zwischen Wahn und Sinn - soll das auf den Kompost oder kann man es noch als Bio-Qualität verkaufen?! Ich glaube, manchmal entscheidet da der Preis... ;-)
Bio: Zwischen Wahn und Sinn - soll das auf den Kompost oder kann man es noch als Bio-Qualität verkaufen?! Ich glaube, manchmal entscheidet da der Preis... ;-)

[Ein Kommentar von Tobias Eichner, tobias@veggietobi.de]

Bis vor ein paar Jahren hatte ich als Vegetarier immer das erhabene Gefühl, mich gesund zu ernähren.

Okay, jeder hat so seine kleinen Schwächen – bei mir sind es Schokolade, Lebkuchen, Eis und Cola light – aber die Balance aus „gesund“ und „mal über die Stränge schlagen“ finde ich angemessen.

Jedenfalls war es für mich – neben den ethischen Aspekten – ein weiteres Argument, anderen die vegetarische Lebensweise schmackhaft zu machen. Oder zumindest plausibel. Wer nämlich das mit dem Tierschutz nicht so recht verstehen wollte, den konnte ich zumindest davon überzeugen, dass Veggies gesünder leben.

Und dann kamen Bio-Lebensmittel auf den Markt…

Eigentlich ist Bio eine geniale Geschäftsidee: Man nehme halb verfaultes Obst und Gemüse, klebe darauf das Etikett „Bio-zertifiziert“ (was immer selbiges auch bedeuten mag) und verdreifache den Preis. So verwandelt man Abfall in Geld.

Aber Bio ist populär. Inzwischen sind Bioprodukte nicht mehr nur eine Spezialität von in abgelegenen Seitengassen beheimateten Reformhäusern, die man nur in Gesundheitsschlappen betreten darf.

Längst sind Biolebensmittel auch im normalen Supermarkt und bei Discountern angekommen. Und ich wurde schon öfters gefragt, was denn davon zu halten sei. Da ich dem Biotrend skeptisch gegenüberstehe, mich aber gleichzeitig als Vegetarier oute, ernte ich oft ungläubiges Staunen:

Ein Vegetarier, der Tomaten aus Holland kauft – das scheint für nicht wenige ein absolutes Kuriosum zu sein. Kopfschütteln und hochgezogene Augenbrauen sind da noch das Mindeste.

In solchen Momenten verschweige ich schamhaft meine Leidenschaft für das mit angeblich tödlichen Süßstoffen gepanschte Cola light.

Der Glaubenskrieg auf dem Esstisch

Stöbere ich ein wenig in den veganen Foodblogs meiner Mitschreiberlinge, dann fällt mir eines schnell auf: Nur biologisch-dynamisch erzeugte Lebensmittel aus kontrolliert fair gehandelten Rohstoffen lokaler Kleinbauern sind gesund. Alles andere sei krankmachende Industrieware:

Unverantwortlich, wer an seine Familie gentechnisch verseuchten Billigfraß verfüttert. Übertroffen nur noch von nach Plastik schmeckenden Fertiggerichten aus der abgrundtief bösen Mikrowelle.

Und so liest sich dann auch beispielsweise der Aufdruck auf einer Packung Bio-Mehl:

Hergestellt aus nur mit organischer Vollwertkost gedüngten, bei Vollmond von Hand einzeln geernteten gentechnikfreien Weizenkörnern. Linksdrehend gemahlen auf mehrfach recycelten Mühlsteinen lokaler Steinbrüche. Zehnfach zertifiziert. Garantiert vegan, halal und koscher.

Okay, ich gebe zu, ich übertreibe etwas. So ein Mehl gibt’s glücklicherweise (noch) nicht. Aber sei mal ehrlich, wirklich weit weg bin ich von der Realität damit trotzdem nicht, oder?

Gesunde Ernährung ist nicht (immer) bio

Natürlich verstehe ich den Wunsch, sich gesund zu ernähren. Mir geht es ja nicht anders. Ich meine, wer will sich beim Essen schon absichtlich schaden? Richtig, niemand.

Aber Bio-Lebensmittel sind keineswegs per Definition eine gesündere Alternative:

Auch in der Biolandwirtschaft dürfen bestimmte Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen (z.B. kupferhaltige Verbindungen im Weinbau) 1], ebenso besteht die Gefahr einer erhöhten Belastung mit Schimmelpilzgiften (sogenannte Mykotoxine).

1] Zugelassene Pflanzenschutzmittel im Öko-Landbau, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (letzter Abruf am 16.1.2018)

Dick werden und an Diabetes erkranken kann man übrigens auch von braunem Roh-Rohrzucker, Kokosblütenzucker und Agavendicksaft. Oder soll allein durch die unverschämt hohen Preise für diese Dinge dem Verzehr größerer Mengen vorgebeugt werden?

Wirklich lächerlich wird es bei veganem Käse: Auf Pizza verschrieen als „billiger Analogkäse aus Ersatzprodukten“ feiert dieser im veganen Kühlregal wahre Verkaufsorgien. Für manche scheint allein schon die Bezeichnung „vegan“ ein Gütesiegel zu sein. Wenn dann noch „bio“ dazukommt… perfekt.

Eine gesunde Ernährung bedeutet für mich von allem etwas: Mal über die Stränge schlagen, mal nur einen kleinen Salat. So lässt sich die Tafel Schokolade ohne schlechtes Gewissen kompensieren.

Wichtig ist sowieso nur die täglich aufgenommene Kalorienzahl – ca. 2.000 kcal sollten es für einen durchschnittlich aktiven Erwachsenen sein. Und viel trinken, 2 Liter täglich mindestens.

Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, die sind in unserer Nahrung reichlich vorhanden. Wer sich nicht nur einseitig ernährt, der bekommt von allem etwas und macht das ganz automatisch richtig. Ohne Nahrungsergänzung und Diätpläne.

Aber psst… niemandem verraten. Würde diese Weisheit nämlich allgemein bekannt werden, kämen ganze Industriezweige zum Erliegen:

Niemand bräuchte mehr diverse Pillen und Pülverchen, keine Zeitschriften mit der xten Kohlsuppendiät (und darunter ein Artikel für „fünf köstliche Käsekuchen-Kreationen“), keine gestylten Fitness-Experten mit „dem einen“ Trainingsplan. Das wäre schon langweilig. 😉

Bio – (k)ein Fall für den Kompost!

Auch wenn ich mir damit einige radikale Biofetischisten zum Feind mache, für mich müssen Lebensmittel in erster Linie zwei Kriterien erfüllen: Bezahlbar bleiben und gut schmecken. Beides schließt sich übrigens keinesfalls aus.

Natürlich achte ich darauf, unter welchen Bedingungen tierische Produkte wie Milch und Eier produziert werden. Und eine umwelt- sowie ressourcenschonende Agrarwirtschaft ist eine gute Sache (schon allein wegen der stabilen Preise), die jeder Verbraucher durch bewusstes Einkaufsverhalten unterstützen kann.

Je weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen und je niedriger der Flächenverbrauch, desto verträglicher ist Landwirtschaft für die Natur. Aber ganz ohne geht es nun einmal nicht.

Aus diesem Grund favorisiere ich beispielsweise die grüne Gentechnik ebenso wie neue Anbauformen z.B. in speziell beleuchteten Gewächshäusern, die auf gleichem Raum mit denselben Mitteln erheblich mehr produzieren können.

Mein Fazit

Mit anderen Worten: Ich kaufe auch weiterhin kein als Bio getarntes halbverfaultes Fallobst, freue mich über Erdbeeren im Januar und entscheide anhand wissenschaftlich belegter Fakten, ob ich einen Lebensmittelzusatzstoff auf meinem Teller haben möchte oder nicht.

Ohne mir von der Biolobby und deren selbsternannten Gurus mit erhobenem Zeigefinger ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen! Essen soll schließlich Spaß machen.

Darauf eine Cola light
Dein Veggie Tobi


Autor: Tobias Eichner | Datum der Veröffentlichung: Januar 2018
Wichtig: Bitte beachte die Nutzungsbedingungen und rechtlichen Hinweise für diesen Beitrag!


Werbung